Werkschau Nachwuchskurzfilm #7: Max Ahrens & Maik Lüdemann

Diese Reihe hat sich zum Ziel gesetzt, einen Blick auf die Szene des deutschen Kurzfilm-Nachwuches zu werfen und die Werke junger Filmschaffender einzuordnen und ihre ersten Schritte in der Filmlandschaft mit diesen Texten zu ergänzen. Der Versuch dieser Reihe ist es, eine persönliche Handschrift aus ihren von mir gesammelten Werken zu extrahieren und ihre persönliche Weltsicht, die Vision du monde, sichtbar für interessierte Leser*innen zu machen. In dem kommenden Text geht es um die Kurzfilme von Max Ahrens und Maik Lüdemann. 

Max Ahrens, Maik Lüdemann

Biographischer Abriss:  Das Regieduo Max Ahrens und Maik Lüdemann lernte sich 2014 im Rahmen des Filmstudiums in Hamburg kennen. Seither realisieren sie gemeinsam verschiedenste Filmprojekte. 

Max beschloss bereits mit 12 Jahren Filmemacher zu werden. Mit diesem Ziel vor Augen trat er einem Theaterensemble in Lüneburg bei, wo er über 5 Jahre in diversen Produktionen kleinere und größere Rollen spielte. 2014 startete er gemeinsam mit dem Schauspieler Lennart Hillmann die Radiosendung Reine Willkür. 

Maik entdeckte seine Leidenschaft zunächst für Fotografie, später für Film in der schulischen Video AG. Vor dem Abitur machte er sich bereits als Filmemacher selbstständig und drehte Image- und Eventfilme. Durch viele Reisen inspiriert, drehte Maik eine vielfach gezeigte Doku über die Flucht über das Mittelmeer mit dem Titel Minden Replying. 

2016 drehten Max und Maik ihren ersten gemeinsamen Kurzfilm Ein Hase im Dezember. Das Regieduo arbeitete auch fortan in mehreren Projekten zusammen, unter anderem an einer Werbefilmreihe für Werder Bremen und dem Mittellangfilm Lukas taucht. Zuletzt drehten sie für Studio Hamburg einen Serienpiloten mit dem Titel „Karacholand“. 

Max studiert derzeit Kulturwissenschaften auf Master an der Leuphana Universität in Lüneburg. Maik beginnt ein im Herbst sein Masterstudium „Werteorientierter Werbefilm“ an der Hamburg Media School. 

Max Ehrens und Maik Lüdemann haben mit ihren bisher drei zentralen, verschiedenen Werken (Ein Hase im Dezember, Lukas taucht, Karacholand) versucht immer wieder neue Formate (Kurzfilm, mittellanger Film, Webserie) auszuprobieren, sind dabei sich, ihrem komödienhaften Stil und ihren Figuren aber treu geblieben. Wenn man ihre Filme betritt, dann begeht man mit ihnen auch ein kleines komödiantisches Universum, das wie so mancher prognostiziert »zu jung« für die öffentlich-rechtlichen und wiederum »zu alt« für das Medienangebot funk ist. Grund genug für mich, um hiermit die Lanze für die Beiden zu brechen! Denn sie machen ein sympathisch-überkandideltes Feel-Good-Kino, das mit großer Freude am Schabernack und viel Leichtigkeit arrangiert ist, mit eigen komponierten Songs und zum Großteil spleenigen Figuren, denen man ansieht, dass den jungen Regisseuren an ihnen und ihren Befindlichkeiten etwas liegt, eine Lust, diese Figuren zu beobachten und sich mit ihnen zu verbünden. 

Für sie ist die Komödie der beste Weg, um sich Themen zu näheren und nicht in den ihrer Meinung nach klassisch-deutschen Gestus zu fallen, der die Menschen vor allem dadurch definieren würden, dass sie leiden und wie stark sie leiden würden. Komödie, so sagt Max Ahrens, wäre dagegen etwas ganzheitliches, mit dem man hinter die Oberflächen schauen könnte. Die Komödie würde für sie mehr Möglichkeiten offen halten, an den Fallhöhen ihrer Protagonisten zu hebeln. Denn in der einen Szene könnten wir lachen, in der anderen schon wieder mit der Figur trauern. Die Komödie, das kann für Max und Maik deswegen auch ein Wechselbad der Gefühle darstellen, eine Achterbahnfahrt, auf die sie sich gerne mit den Zuschauer*innen begeben wollen. Das Ziel ihrer Filme wäre es, so sagen sie, mit Anspruch zu unterhalten, bestenfalls schöne Unterhaltung mit Anspruch zu liefern.

Konstante Vorbilder gibt es für Maik Lüdemann und Max Ahrens nicht wirklich. Für jeden Film, den sie machen, wären es andere Einflüsse gewesen und ihre Einflüsse würden auch ständig wechseln. Was man aus ihnen herauskitzeln kann, sind die Filme von Zach Braff, wie “Garden State” oder die Coen-Brüder (Stichwort: ihre Verliererfiguren) für Max, sowie Edgar Wright (Stichwort: Die Art, wie er visuell Witz erzählt) und Ron Howard, den Maik für einen der besten Handwerker Hollywoods hält. 

Bemerkenswert ist auch hinsichtlich dieser Einflüsse, die man definitiv in ihrem Schaffen sehen und erfühlen kann, dass Maik’s und  Max‘ Filme nicht im traditionellen Sinne des Wortes wirklich realistisch (wie man es oft im deutschen Kino versteht) sind, also karg und spröde, sondern sie zaubern mit Hilfe ihrer Mittel eine wunderbare und doch bodenständige Kinorealität, die von Film zu Film homogen ist, und die folglich auch vom amerikanischen Independentfilm (“Kings of Summer” wäre so ein Film, der in dieser Hinsicht einer Kinorealität ähnlich funktioniert, oder eben wie schon genannt die Filme von Zach Braff) beeinflusst ist. Mag man diese anderen Filme, wird man auch in den Werken von Max Ahrens und Maik Lüdemann eine kleine Fundgrube vor sich haben. Aber worum geht es nun in ihren Filmen? Werfen ihr einen chronologischen Blick in ihr Schaffen! 

Ein Hase im Dezember [2016 | 18 Minuten]

© Nashorn Filmproduktion

“Ein Hase im Dezember” ist die erste gemeinsame filmische Zusammenarbeit von Maik Lüdemann und Max Ahrens oder zumindest diejenige, die sie als ihre erste richtige betiteln. Der Film, der ihr Universum, wenn man es so nennen möchte, aufmacht. Das Werk stellt ihren Abschlussfilm an der privaten Medienakademie in Hamburg dar, wo beide Regie studierten und genau 4 Wochen zur Vorbereitung der Realisierung dieses Projektes hatten. Bis heute sind sie noch überrascht, wie gut der Film letztlich trotz dieser Limitierung funktioniert. Beide teilten sich dabei den Regieposten und sprachen sich miteinander über die künstlerischen Fragen des Projektes ab und fanden zu einer funktionierenden Harmonie ihrer Bereiche: Max übernahm, wie in kommenden Projekten, Schauspielführung und Drehbuch, während Maik sich eher auf die visuelle Umsetzung und die Produktion konzentrierte. Inspiriert haben diesen Film das Musikdrama “Once” von John Carney sowie “Inside Llewyn Davis” der Coen-Brüder. Bei dieser Idee, einen Musikfilm zu machen, war von vorneherein klar, dass sie eigen geschriebene Songs aufnehmen und verwenden würden, und vor allem auch, dass sie die Möglichkeit dazu hatten, es zu tun.

© Nashorn Filmproduktion

Im Film von Maik Lüdemann und Max Ehrens treffen sich also, ganz dem Zeitgeist des Genres entsprechend, Beziehungs- und Musikfilm aufeinander. Der Hase im Dezember ist dann folgerichtig auch der Name der Band der beiden Protagonisten, die zu Beginn des Films auf einer kleinen Barbühne – mit neuen Songs im Gepäck – Magie (mit ihrem Indiepop, der an Mumford and Sons erinnert und vom Herzschmerz der Protagonisten erzählt) versprühen. Da sind ein junger Mann, Moritz (Daniel Axt), und eine junge Frau, Anne (Lisa Eschenbrenner), ihre Blicke treffen sich, eine Chemie entsteht, sie scheinen in diesem Moment wie füreinander bestimmt. Es ist ein stimmungsvoller Einstieg, der die Musik treffend in Szene setzt und die Figuren von einem Hauch Nebel in einen visuell adretten Licht rahmt, dort auf der Bühne ist es wie in einer Blase. 

Nach der Show geht die Magie für die beiden Protagonisten aber schnell flöten Wir sehen den Hasen, das Maskottchen der Band, und vielleicht das Symbol des Herzens, in einen Käfig gesperrt. Aus der anfänglichen Situation entwickelt der Film innerhalb einer kurzen Nacht zwei parallel laufende Handlungsstränge. Sie muss schnell los, zu ihrem Freund, er bleibt und flirtet mit der Barkeeperin (Natasha Pavia), die gegen die Band, ihr nicht vorhandenes Marketing und ihr Indie-Image stichelt. An dieser Stelle und den dortigen Dialogen merkt man dem Film noch seinen Debütcharakter an, der mit ein bisschen konstruiert-gekünstelten Dialogen unbedingt ironisch sein eigenes Zeichensystem aus nachdenklichen Musiker und Indieband kommentieren muss, was hier bisweilen etwas bemüht hinsichtlich der Verweise wirkt. 

© Nashorn Filmproduktion

Dagegen setzt der Film zwei knuffige Comic Reliefs (Marius Schulz & Lennart Hillmann), Johann und Karl, Freunde des Protagonisten Moritz, die betrunken amüsiert durch den Film torkeln und aberwitzige Zeilen und Gesänge zum besten geben, vom nächsten Spermasschuss in den Hamburger Straßen träumen und singen, oder sich herzallerliebst mit Luftsprüngen über Zigarettenschachteln freuen. Sie sind die Clowns des Films, ein abwechslungsreicher Hauch von Absurdität und Ulk, der sich durch diesen eher leisen Film zieht, und  in den kommenden Werken zu so etwas wie dem Kennzeichen von Maik’s und Max‘ Filmen werden. Diese beiden Figuren werden auch die Konstante bilden, die zu ihrem kommenden Werk überleiten wird. 

Der Film ist ansonsten ein Wechselbad aus Leichtigkeit und Melancholie, aus Gefühl und dezentem Humor, das zurückhaltend und behutsam gegenüber seinen Figuren bebildert und visuell dabei auch ansehnlich ist. Man hat das Gefühl, dass diese sacht beleuchtenden, stets mit einem dezenten Farbstich versehenen Bilder die Lebensblase der Figuren, besonders wenn sie unterwegs sind – in Bars, Straßen, Bahnhöfen – wiedergeben. In ihren Wohnungen wirken sie dagegen – auch in der Kadrage – wesentlich verlorener. Dort, in seinen ersten Momenten intern, strauchelt die Auflösung des Films auch ein bisschen, gerät für einen Moment mitunter beliebig, das Schauspiel zwischen Lisa Eschenbrenner und Timon Ballenberger dagegen schafft in diesem Moment Intimität, die Auflösung wird das kurz daraufhin treffend ergänzen. 

© Nashorn Filmproduktion

Die männliche Figur des Moritz streunt daneben weiter mit der Barkeeperin durch die Nacht. Die Perspektive auf ihn ist auch oberflächlicher, Die Figur bleibt lässig, der Film durchdringt ihn nicht. Er redet viel, antwortet, aber sein Inneres, das lässt der Film verschlossen, unberührt. Bei seiner weiblichen Figur äußert sich die Wehmut dagegen stärker, ihr kommen Maik und Max näher als ihm und das über Feinheiten im Blick der Schauspielerin. Bei der Figur des Moritz ist das alles grober, gespielter und wird holzhammerhaft artikuliert. Was am Ende nun den Reiz an dieser Figur aus der Perspektive von Anne ausmacht, warum sie bei ihm sein möchte, wird nicht ganz ersichtlich, denn er bleibt Poserfigur, ein zu cooler Typ mit Zigarette im Mund. Dieses Bild von ihm verschwindet nie ganz aus dem Film. 

In der Mitte des Films kommt es dann – von einem diegetischen Song von Anne untermalt – zu einer Parallelmontage, die man als bewusst gesetzter Höhepunkt einordnen kann und beide Entwürfe dieser Nacht sehr konkret gegenüberstellt, schneller Sex gegen eine starre Beziehung, überspieltes Vergessen gegen stille Frust. Einer wartet in diesem Film immer auf den anderen, immer steht etwas im Weg, die Figuren scheinen aneinander verpasst zu haben, obgleich sie füreinander bestimmt zu sein scheinen auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück. Der Film schafft einen kurzen, prägnanten Einblick in die Beziehung, die Schwierigkeiten des Zusammenfindens der beiden Hauptfiguren. Am Ende ergibt sich ein gefühlvoller Beziehungsfilm, der formal noch wankelmütig ist, nie ganz rund ist, Ecken und Kanten besitzt, den man in seinen besten Momenten aber fühlen bzw. erfühlen kann. 

© Nashorn Filmproduktion

Für Maik Lüdemann und Max Ahrens schaffte ihre erste Zusammenarbeit ein Klima der Vitalität und Professionalität. Heute meinen sie, dass sie es nicht in dieser kurzen Zeit allein geschafft hätten, solch ein Projekt zu realisieren. Sie beschreiben diese erste größere, komplett nachts spielende, Filmerfahrung als fordernd, aber geil, als »Beginn einer Ära«, ein Goldprojekt, wenn man danach geht, was sie dabei lernen konnten. Besonders für Max war es das dahingehend, dass er hier begann mit einigen anderen befreundeten Musikern seine eigenen Filme mit eigener Musik zu bestücken. In der Reflexion vermerkt Max aber auch noch selbstkritisch, dass in diesem Erstling noch sehr viel – gerade hinsichtlich seines männlichen Protagonisten – Fassade wäre und er das heute wahrscheinlich anders schreiben würde. Trotzdem ist für beide dieser Film ein wichtiger Schritt, »ein Dokument vom Startschuss«, von dem es gleich zum nächsten – noch ambitionierteren – Projekt gehen sollte, das mehr den Humor der beiden an die Oberfläche bringen sollte. 

Lukas taucht [2017 | 38 Minuten]

© Nashorn Filmproduktion

Nach dem für sie erfolgreichen ersten Versuch “Ein Hase im Dezember” überlegten sich Maik und Max, was ihr nächstes Projekt sein sollte, das sie gemeinsam umsetzen wollten. Sie saßen gemeinsam im Garten, sammelten Ideen und sprachen über die Themen, die sie gerne verarbeiten wollten und kamen schon bald hinsichtlich ihres Grundthemas zu einer Lösung: Wieder sollte es ein Coming-of-Age-Film werden, aber mit mehr komödiantischen Elementen, die  im Vorgänger noch relativ zurückhaltend integriert waren, und von der Suche seines spätjugendlichen Protagonisten erzählen sollte, der die erste große Veränderungen erlebt nachdem er im erwachsenen Leben angekommen ist. Erzählt mit einem Stück autobiografischer Anleihen hinsichtlich seiner Regisseure, die sich zu diesem Zeitpunkt in einer ähnlichen Lage sahen wie ihr Protagonist Lukas (Yannik Meyer). 

Denn der Protagonist sieht sich mit der Veränderung seines Umfeldes konfrontiert, seine geliebte WG mit seinen lebenslangen Freunden (Daniel Axt & Nisan Arikan) wird aufgelöst, neue Wege müssen gefunden werden und außerdem sucht er auch noch nach der Liebe, kann aber mit dieser Umstellung zunächst nicht umgehen. Max und Maik nehmen ihm dazu zunächst alles weg, was er braucht und schauen was passiert.  

© Nashorn Filmproduktion

Lukas mag die vertraute Situation, in der er lebt: Er liebäugelt mit einer Freundin Johanna (Nisan Arikan), die ihn nie beachtet und er arbeitet in einem Kinderspieleland, das von einem exzentrischen-verrückten Sprücheklopfer (Alexander Wipprecht, der zur heimlichen Starfigur des Films gerät) geführt wird, der das Imperium seinen Vaters übernommen hat und keinen Respekt gegenüber seinen Mitarbeitern zeigt, sofern sie nicht junge Frauen sind.  Doch seine beiden Freunde Raffi (Daniel Axt) und Johanna (Nisan Arikan) ziehen aus WG aus, um sich auf in die Welt zu machen. Allein kann Lukas die Wohnung nicht finanzieren, deshalb muss er sein Leben verändern und hat die fixe Idee Weed zu verkaufen. 

Dieser komödiantische Film ist dabei randvoll mit Bezügen und Querverweisen zu Kindheitserinnerungen, die fest manifestiert sind in den Lebensgeschichten seiner Regisseure. So hängt zum Beispiel Indiana Jones als Poster im Zimmer des Protagonisten Lukas, der auch Träume von Nazischätzen hat, denen man als eigener Indiana Jones hinterherjagt. Gefilmt wurde auch Orten, die Teile des Lebens und der Kindheit der Regisseure waren, wie der See oder das Kindertobeland Karacholand, sodass man “Lukas taucht” auch bis zu einem bestimmten Grad als Autofiktion betrachten kann. 

© Nashorn Filmproduktion

Das Werk ist dazu eine episodische Komödie, ein Spaßreigen, der fröhlich von Situation zu Situation hüpft, diese mit Kapitelüberschriften und eigen komponierten, nicht diegetischen Liedern kommentiert, laut und ideenreich ist und nie zur Ruhe findet, was man im direkten Vergleich zum Vorgänger auch etwas anstrengend finden kann. Folglich ist das also ein hippelig-vergnügliches Springen von Gegenwart, Traum und kurzen Rückblicken. Da steckt vieles drin in diesem Film, an Gedanken und Lebenserfahrungen, das sich zu einem sympathischen Chaos vermischt, obgleich “Lukas taucht” bisweilen in seinen Skurrilitäten auch leicht zum Abschweifen neigt. Gegen Wehmut wird in diesem Werk greller Humor gesetzt, und ebenso gut ein kleines Universum, das mit zahlreichen skurrilen Figuren befüllt ist und mit einem Sonderling als Protagonisten aufwartet. 

Yannic Meyer in der Titelrolle fügte für Max und Maik der Figur des Lukas dabei eine angenehme Traurigkeit hinzu, die ihre Figur ergänzen würde. Denn so ist der Protagonist Lukas ein bisschen planlos und treudoof, wie in einer anderen Welt, aber doch ein liebenswerter Kerl. Er ist ein zahmer und leicht unbeholfener Riese, in dem aber doch irgendwie ein Held steckt, der vor allem Freude und Naivität ausstrahlt, auf immer wieder neue absurde Ideen kommt und an der Realität seiner Umsetzungen hoffnungslos scheitert. Auch diese Figur lebt – wie auch die in ihrem Vorgänger – in einer Art Blase, die um erwachsen zu werden, platzen muss und sich Lukas so seiner Angst vor dem Neuen und Unbekannten stellen muss. 

© Nashorn Filmproduktion

Max und Maik vermerkten, dass  “Lukas taucht” für sie eine (augenzwinkernde) Meditation über einen guten Umgang mit der Veränderung darstellen würde. Man kann sich mit diesem Film treiben lassen. Es ist ein warmherziges, oft auch abenteuerliches Feel-Good-Movie, das klassisch inszeniert ist, einen funktionalen Blick für die Bilder, Farben und Details hat, zügig und ironisch erzählt ist und viel auf visuellen Witz im Stil von Edgar Wright gibt. Anders als in ihrem Vorgänger sind die beiden bei “Lukas taucht” auch in der Inszenierung gewachsen, denn der Film legt vielmehr wert auf eine Mise-en-Scene, die Inszenierung im Raum, wo auch vieles im Bildhintergrund passiert.

© Nashorn Filmproduktion

Die Verbindung zum Vorgänger schaffen die Comic Reliefs Karl und Johann (Marius Schulz & Lennart Hillmann), die in einer Partyszene dezent, fast zufällig, zu sehen sind und ein loses Bindeglied zum Vorgänger sind, so wie deren Hauptdarsteller Daniel Axt, der in “Lukas taucht” gegen das Rollenbild des nachdenklichen Musikermannes des Vorgängers anspielt, in dem er hier den homosexuellen, besten Freund des Protagonisten gibt (obgleich er auch hier nicht die Finger von Zigaretten lassen kann). 

Halten wir also abschließend fest, dass “Lukas taucht” von Max Ahrens und Maik Lüdemann ein verspielter, dabei ulkig-frecher, aber auch – das sollte man nicht ausklammern – ein herzlicher Coming-of-Age-Film im Stile des amerikanischen Vorbildes ist, der manchmal über die Stränge schlägt, aber ebenso mit seiner hellen Freude an Ulk anregt. Kurz gesagt, dieses zentrale Werk in dem Schaffen von Maik und Max ist schlicht sympathisch und kurzweilig. Mehr muss man dazu gar nicht sagen. Weiter geht es, denn das nächste Werk ist von hier nicht weit! 

Karacholand [2018 | 22 Minuten | Pilotfolge]

© Nashorn Filmproduktion

Mit ihrem nächsten Projekt “Karacholand” setzten Maik und Max ihren vorherigen Film “Lukas taucht” fort, denn dieses Werk ist ein serielles Spin-Off des Vorgängers, das sich auf die Geschichte von Andreas Freitau (Alexander Wipprecht), dem derben Chef von Lukas, stürzt und den Arbeitsplatz von Lukas, das Karacholand, in den Vordergrund stellt. Lukas dagegen wird in diesem Spin-Off nur zu einer Nebenfigur. Maik und Max wollten etwas neues mit dem Format einer Serie ausprobieren, denn ihnen gefielen diese Nebenfiguren, die sie erschaffen hatten in “Lukas taucht” und auch das, was eben aus diesem herausgeschnitten wurde. Das waren nämlich vor allem improvisierte Szenen mit Alexander Wipprecht in der Rolle von Andreas Freitau, weil sie in ihrem extasischen Irrsinn nicht in die Natur des Vorgängers zu passen schienen, ihn zum implodieren gebracht hätten laut Maik und Max. Das machte ihnen aber dennoch so viel Spaß, dass sie dies dann eben in das nächste Projekt, ins Karacholand, verlegten, einfach, weil sie Bock darauf hatten und sich der Herausforderung stellen wollten, etwas mit Seriencharakter zu entwickeln. 

Der Serienpilot springt nun vor die Ereignisse von “Lukas taucht” und ist im Stile einer ironisch gefärbten – und mit Reißzooms verzierten – Mockumentary inszeniert. Das erinnert an Vorbilder wie “The Office” oder “Stromberg”, die auch einen ähnlich ungehobelten Antihelden als Protagonisten haben. Der Serienpilot ist nun noch grotesker und größer gedacht, funktioniert aber auch als Ensemblestück, das viele Figuren ins Kindertobeland Karacholand setzt, die aber eindeutig dominiert werden von der Figur des Andreas Freitau, denn Alexander Wipprecht inszeniert seine Figur als ungezügelte Dampfmaschine, ein ungehobeltes Energiebündel, das den Mund nicht halten kann und alles an sich reißt. 

© Nashorn Filmproduktion

Daneben gibt es noch junge Sportstudentinnen, ältere Angestellte und eben Lukas, dessen Figur daraus profitiert, sie aus dem vorherigen Film zu kennen. Ähnlich exzentrisch wie die Figur des Andreas Freitau ist höchstens die Karikatur des einfältig-grinsenden Biologiestudenten und vermeintlichen Umweltaktivisten Dennis (Lennart Hillmann), der einem Specht-Pärchen in der Nähe des Karacholandes bei der Paarung helfen will und deshalb als eine Art Nachbar daneben – mit Huhn! – campt. Er braucht keine Zeit, sondern nur eine Richtung und stibitzt notfalls Wasser aus Behältern des Karacholandes, um zu überleben. Er möchte sich als Retter der Tierwelt aufspielen, ist aber komplett planlos und schon mit sich selbst überfordert.

Die Figur des Andreas Freitag entwickeln Maik und Max aber mit diesem Projekt auch weiter, denn sie erlauben uns auch einen anderen Blickwinkel als noch in “Lukas taucht”. Das passiert allein dadurch, dass er nun ihr Protagonist ist und so nun zu einer ihrer Verliererfiguren modifiziert wird, die sich noch im Leben beweisen muss. Denn die Figur des Freitau ist wie ein gemeines Kind im Körper eines Mannes, das innerlich noch erwachsen werden muss. Freitau tritt das Vermächtnis seines überlebensgroßen, von ihm entfremdeten Vaters an. Er erbt das Karacholand, an dem ihm aber wenig liegt, und soll es weiterführen. Sein Vater war für alle Kinder da, bloß für ihn nicht. Das sickert zwischen den Zeilen durch. Andreas plant aber eine Neuausrichtung dieses Kindertobelandes, denn er will aus ihm ein Parkhaus machen – mitten im Wald. Doch der Naturschutz grätscht dazwischen, weil sich in der Nähe unter Artenschutz stehende Spechte befinden würden, weshalb es keine Baumaßnahmen geben dürfe. Damit sind Freitaus Pläne auf Eis gesetzt, doch er setzt alles daran, um die Spechte zu vertreiben. Denn er ist bereit seinen Traum zu verwirklichen, um erstmals im Leben etwas – so scheint es – zu erreichen. 

© Nashorn Filmproduktion

Der Pilot von “Karacholand” ist ein kunterbuntes Treiben, das durch den Mockumentarystil noch viel freier und ungezwungener wirkt als der vorherige Film. Es ist ein hippelig-ausschweifendes, aber auch total liebenswert in seinem Universum versunkenes Werk, das völlig außer Rand und Band gerät. Es ist ein überdrehtes Hin und Her, das zackig erzählt ist, wo alles Schlag auf Schlag folgt und sich der Pilot  immer wieder temporeich wendet. Die einzelnen Figuren werden in Interviews kurz vorgestellt, um sie zu verorten, und dann geht es schon weiter. “Karacholand” spielt mit ihnen oder beobachtet sie durch den Blick des Andreas Freitau. 

Das ist immer kurzweilig, oft im kumpelhaften Plauderton geschildert. Da ist dann insgesamt eine unterhaltsame Ruhelosigkeit drin, die man auch schon in “Lukas taucht” hatte. In diesem Werk setzt sich das definitiv fort. Das hier rollt nach vorne und reißt alles mit, was sich ihm in den Weg stellt. Der Witz ist noch ausgefallener und exaltierter geworden, mit ihm sind aber auch die Figuren dagegen oberflächlicher geworden, sodass viele Nebenfiguren zu Stichwortgebern oder Karikaturen gerinnen, die durch ihre Skurrilität, ihre Spleens und Ticks definiert werden. Nichtsdestotrotz oder besser gesagt gerade deswegen, ist dieser Serienpilot ungemein unterhaltsam, weil vieles in dieser kurzen Zeit passiert und man von dem überbordenden Witz regelrecht übermannt wird. Ich mochte das, obgleich es wahrscheinlich für eine Sympathie gegenüber dem Werk ratsam ist, “Lukas taucht” vorher zu schauen. Ein bisschen traurig kann man schließlich schon darüber sein, dass sich bis dato noch kein Interessent für die Serie beziehungsweise weitere Folgen gefunden hat. Deshalb muss die Serie auch erstmal anhand ihres Piloten bewertet werden, der erstmal für sich allein stehen muss. 

Zusammenfassung: 

Wie wir nun gesehen haben, zieht sich also eine ganz klare Linie durch das Schaffen von Max Ahrens und Maik Lüdemann. Die spiegelt sich einerseits in dem Coming-of-Age-Aspekt ihrer Filme wider, dass ihre Figuren noch auf dem Weg des Heranwachsens sind. Sie sind noch auf der Suche nach der Liebe oder persönlichen Verwirklichung, und versuchen das oft zu kaschieren, weil es ihn nicht bewusst ist oder weil sie davor zu fliehen versuchen (z.B. Moritz im “Ein Hase im Dezember”, der sich in schnellen Sex flüchtet), meist sind ihre Protagonisten Verlierertypen, denen Max und Maik empathisch begegnen. 

Ihr Werk wandelt sich durch diese drei Projekte aber auch. “Ein Hase im Dezember” beginnt wehmütig, in diesem Film ist der freche Humor der beiden noch nahezu versteckt. In “Lukas taucht” und “Karacholand” wird der Humor dagegen größer, lauter und beiden beginnen mit diesen Filmen zu ihrem Humor zustehen und ihn hemmungslos bis hin zur Überzeichnung auszuleben. Man sieht ihren Werken an, dass sie es lieben zu spielen und auszuprobieren, und als Zuschauer macht es Spaß ihnen dabei zuzusehen, denn, was die beiden mit ihren Werken erschaffen, ist aufgeweckte und enorm kurzweilige Unterhaltung. Man ist fast enttäuscht, dass viele von diesen Projekten so schnell vorbei sind, weil nur ein kurzer Augenblick, ein Moment bleibt, der innerhalb der Filme alles ein bisschen oberflächlich und angerissen belässt.

Aber man hat eine gute Zeit in diesem kleinen Universum mit diesen Figuren der beiden, das in sich liebevoll ergänzend und stimmig wirkt, besonders, wenn man immer wieder kleine (vielleicht auch unbewusste) Linien von einem zum anderen Film in kleinen Feinheiten entdeckt. Das nächste Projekt, das vor Tür steht, von Max und Maik ist dann folgerichtig wieder ein neues Format: Der Langfilm. Wir bleiben gespannt. 

© Nashorn Filmproduktion

Von was für einem Kino träumst du? Was ist deine Vision des Kinos? Was wünschst du dir vom Kino?

Im Bezug aufs deutsche Kino wünsche ich mir vor allem mehr gute unterhaltsame Filme. Mein Eindruck ist, dass Filme mit großen Problemthemen oft sehr dramatisch und traurig erzählt werden.Zu selten werden für meinen Geschmack Charaktere plastisch dargestellt und auch bei drückenden Themen mal der Humor gefunden. Meine liebste Art von Film ist die, bei ich lache und zugleich weine.Das Problem ist, dass Stoffe die sehr humoristisch sind, seltener gefördert und prämiert werden. Mein Eindruck ist, dass Gremien und Jurys komische Filme nicht ebenbürtig mit einem z.B. Drama sehen. Dabei kann ein schweres und/oder aktuelles Thema auch sehr gut in einer Komödie behandelt werden. Auf diese Art ist es vielleicht sogar oft für den Zuschauer zugänglicher. Ich wünsche mir außerdem vom Kino und der Zukunft, dass die Budgets für Produktionen steigen und man sich so mehr Zeit für einzelne Phase nehmen kann. Zu oft vergleicht man sich mit amerikanischen Werken und wundert sich, dass unser Film „eben deutsch“ aussieht. Beispielsweise wird die Postproduktion meiner Meinung nach zu oft zu schnell abgeschlossen. Nicht jeder nimmt sich wie z.B. Christian Schwochow lange Zeit im Schnitt. Daher bleiben deutsche Filme oft hinter ihren Möglichkeiten.  (Maik Lüdemann)

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